Wärmemarkt 2050

Die "low-hanging fruits" in Ein- und Mehrfamilienhäusern ernten

Donnerstag, 13.07.2017

Die Studie "Wärmemarkt 2050" untersucht, wie sich der CO2-Ausstoß im gesamten deutschen Gebäudebestand reduzieren lässt. Das Ergebnis gibt Hoffnung, denn minus 81 Prozent CO2 im Gebäudesektor bis 2050 sind möglich.

Häuser aus der Vogelperspektive.
Quelle: Marcel Schauer / http://www.Fotolia.com
Die Studie "Wärmemarkt 2050" untersucht, wie sich der CO2-Ausstoß im gesamten deutschen Gebäudebestand reduzieren lässt. Was die Wärmemarktstudie 2050 im Kern von anderen Studien unterscheidet, ist, dass die Frage nach der Bezahlbarkeit der energetischen Sanierungsmaßnahmen mit einfließt. Schließlich sind es die Eigentümer, die die Investitionen in ihre Gebäude finanzieren – und ihre individuellen Budgets entscheiden darüber, welche Investitionen sie sich tatsächlich leisten können.

Alle reden über Energiewende – und es passiert etwas. Der Umbau unserer Energieversorgung wird sichtbar. Zum Beispiel durch Solarzellen auf Dächern, Windparks auf Feldern oder Effizienzlabeln auf Elektrogeräten. Das Klimaschutzabkommen von Paris macht Mut. Die Länder der Welt bekennen sich zur Zwei-Grad-Marke. Die Politik gibt Klimaziele vor, um unsere CO2-Emissionen konsequent zu senken. Und diese Ziele sind ambitioniert: Bis 2050 sollen die in der Bundesrepublik verursachten CO2-Emissionen um mindestens 80 Prozent sinken. Der Wärmemarkt ist dabei einer der Vorreiter und schon lange kein "schlafender Riese" mehr. Bis 2015 wurden bereits rund 30 Prozent CO2 im Vergleich zum Referenzjahr 1990 eingespart.

Ein Großteil des Weges liegt aber noch vor uns.

In der Studie wird das aktuelle Fördersystem für energetische Sanierungen berücksichtigt, zudem wurden auch Ersatzneubauten in die Methodik aufgenommen. Und schließlich wurde auch der stetig wachsende Anteil regenerativer Gase berücksichtigt. Was die Wärmemarktstudie 2050 im Kern von anderen Studien unterscheidet, ist, dass die Frage nach der Bezahlbarkeit der energetischen Sanierungsmaßnahmen mit einfließt. Schließlich sind es die Eigentümer, die die Investitionen in ihre Gebäude finanzieren – und ihre individuellen Budgets entscheiden darüber, welche Investitionen sie sich tatsächlich leisten können. Es geht also um eine sozialverträgliche Betrachtung der individuellen Finanzkraft.

In Deutschland entfallen rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen auf den Wärmemarkt. Rund 86 Prozent des häuslichen Gesamtenergieverbrauchs wird für Heizzwecke und Warmwassererzeugung verwendet.

Ein Blick auf das Jahr 2016 verdeutlicht, dass der Wärmemarkt dringend klimaeffizienter gestaltet werden muss: 3,2 Millionen Mehrfamilienhäuser und 15 Millionen Einfamilienhäuser emittierten 2016 insgesamt 147,1 Millionen Tonnen CO2.

Die Grafik zeigt die CO2-Emissionen im Gebäudesektor.
Quelle: Zukunft Erdgas
CO2-Emissionen im Gebäudesektor: 3,2 Millionen Mehrfamilienhäuser und 15 Millionen Einfamilienhäuser emittierten 2016 insgesamt 147,1 Millionen Tonnen CO2.

Die Methodik der Wärmemarktstudie 2050

Die Zielmarke der Studie besteht in der CO2-Reduktion von 80 Prozent bis 2050 gegenüber dem Referenzjahr 1990. Dabei haben die Eigentümer die Wahl, für welche energetische Sanierungsmaßnahme sie sich entscheiden. Für die Berechnung der 1.986 gebäudeindividuellen Sanierungsfahrpläne, die der Studie zu Grunde liegen, dienen drei Faktoren:

  1. der Gebäudebestand, das heißt, das Alter des Gebäudes, sein Sanierungszustand und die Bestandsheizung,

  2. die finanziellen Möglichkeiten und Investitionsvorhaben der Eigentümer und

  3. ein breites Instrumentarium verschieden kombinierbarer Sanierungsoptionen.

Beim Gebäudebestand wird zudem gegebenenfalls ein Wechselausschluss berücksichtigt, falls Gas oder Fernwärme bei einer Sanierung nicht möglich sein sollte. Im Gebäudebestand ergibt sich darüber hinaus eine weitere Annahme: Bei Gebäuden mit sehr schlechter Bausubstanz kann es mitunter günstiger sein, einen Abriss vorzunehmen, als kostenaufwändige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen. Abriss- und Neubauquote sind in der Simulation also auch Größen, die in die Berechnung mit einfließen.

Wenn wir über Bezahlbarkeit sprechen, dürfen die verschiedenen staatlichen Fördermöglichkeiten nicht außer Acht gelassen werden. Im Rahmen der Wärmemarktstudie wurden daher auch die wesentlichen Förderprogramme der KfW-Bank berücksichtigt (Programm 430 "Energieeffizient Sanieren – Investitionszuschuss", Programm 433 "Energieeffizient Bauen und Sanieren – Zuschuss Brennstoffzelle" sowie die BAFA-Förderprogramme).

Der zunehmend steigende Anteil regenerativer Gase in der Wärmeversorgung ist ein weiterer Faktor. Im Kern geht es um synthetisches Erdgas aus dem Power-to-Gas-Verfahren sowie um aufbereitetes Biomethan. Ersteres erreicht in der Simulation im Jahr 2050 einen Anteil von 35 Prozent. Das Potential von Biomethan wurde mit fünf Prozent bis 2030 berücksichtigt.

Die Simulation geht außerdem von einem Ausscheiden von Heizöl als Energieträger für die Raumwärme ab dem Jahr 2030 aus. Ölbasierte Systeme werden durch CO2-ärmere Heiztechniken ersetzt. Öl könnte seine Stellung im Wärmemarkt behalten, wenn es ähnlich wie Erdgas den Weg zu einem regenerativen Energieträger einschlagen würde. Diese Möglichkeit berücksichtigt das Szenario allerdings nicht.

Der Wärmemarkt 2050

Bis zum Jahr 2050 macht der Heizungsbestand noch mindestens zwei Modernisierungszyklen durch. Auf diese Weise kommt es sowohl bis zum Jahr 2030 als auch bis zum Jahr 2050 zu Verschiebungen im Vergleich mit dem heutigen Status quo. 2015 lag der Anteil der gasbasierten Heizsysteme bei rund 50 Prozent. Dieser Anteil wird laut Studie im Jahr 2030 bei 58 Prozent liegen und im Jahr 2050 bei rund 55 Prozent. Die wesentliche Stellung von Erdgas im Wärmemarkt wird also erhalten bleiben.

Ein verändertes Bild ergibt sich allerdings mit Blick auf die eingesetzten Gas-Heizsysteme: 2016 lag der Anteil an Gas-Niedertemperaturkesseln noch bei 26 Prozent und der Anteil von Gas-Brennwertkesseln bei 14 Prozent. Laut Szenario wird die Gas-Brennwerttechnik im Jahr 2050 einen Anteil von 29 Prozent ausmachen, Niedertemperaturanlagen werden komplett verschwinden. Daneben spielt die Brennstoffzellenheizung mit 9,1 Prozent eine bedeutende Rolle im Wärmemarkt und ist damit für rund vier Millionen Wohneinheiten die bevorzugte Heizoption.

Das Diagramm zeigt die Beheizungsstruktur nach Wohneinheiten im Jahr 2050.
Quelle: Zukunft Erdgas
Die wesentliche Stellung von Erdgas im Wärmemarkt wird erhalten bleiben. Ein verändertes Bild ergibt sich allerdings mit Blick auf die eingesetzten Gas-Heizsysteme: Laut Szenario wird die Gas-Brennwerttechnik im Jahr 2050 einen Anteil von 29 Prozent ausmachen, Niedertemperaturanlagen werden komplett verschwinden. Daneben spielt die Brennstoffzellenheizung mit 9,1 Prozent eine bedeutende Rolle im Wärmemarkt und ist damit für rund vier Millionen Wohneinheiten die bevorzugte Heizoption.

Strombasierte Heizungen hatten 2015 einen Anteil von rund fünf Prozent im Heizungsbestand. Ihr Anteil wird langsam wachsen und im Jahr 2050 bei rund 19 Prozent liegen. Eine grundlegende Elektrifizierung des Wärmemarktes ist für die Immobilienbesitzer offensichtlich keine wirtschaftlich dominante Alternative.

Der Wärmemarkt wird regenerativer

Im Jahr 2050 werden mehr als 50 Prozent der Wohneinheiten durch erneuerbare Energien versorgt. Dabei wird Holz als Biomasse 75 Terawattstunden am Energieverbrauch ausmachen, Strom wird mit 22 Terawattstunden regenerativ erzeugt.

Einen besonders großen Beitrag wird synthetisches Erdgas leisten: Der Anteil von erneuerbarem Gas aus dem Power-to-Gas-Verfahren sowie aufbereitetem Biomethan wird im Jahr 2050 35 Prozent betragen. Das bedeutet in absoluten Zahlen, dass inklusive des Gasein­satzes in der Nahwärme im Jahr 2050 77 Terawattstunden synthetisches Erdgas im Wärmemarkt eingesetzt werden.

Die Grafik zeigt die Entwicklung des Erdgasverbrauchs bin 2050.
Quelle: Zukunft Erdgas
Der Anteil regenerativer Gase in der Wärmeversorgung steigt zunehmend. Im Kern handelt es sich hier um synthetisches Erdgas aus dem Power-to-Gas-Verfahren sowie um aufbereitetes Biomethan. Ersteres erreicht in der Simulation im Jahr 2050 einen Anteil von 35 Prozent. Das Potential von Biomethan liegt bei fünf Prozent.

Auch die Energie der Sonne wird in Form von Solarthermie eine bedeutende Rolle im erneuerbaren Wärmemarkt der Zukunft spielen. Von den rund 36,5 Millionen Wohneinheiten 2050, werden rund 11 Millionen mit Solarthermie ausgestattet sein. Fünf Millionen dieser solarthermischen Anlagen werden in Kombination mit einer Gas-Brennwertheizung betrieben.

Die richtigen Maßnahmen wählen

Die Wärmemarktstudie zeigt eine realistische und praxisnahe Simulation, wie sich der Wärmemarkt der Zukunft entwickeln könnte. Die Ergebnisse machen deutlich, dass der Wärmemarkt keinen grundlegenden Kurswechsel in Richtung Elektrifizierung benötigt, sondern eine Stärkung der Wahlfreiheit der Eigentümer und einen Rahmen, der sie in ihrer Entscheidungsfindung unterstützt. Damit die Wärmewende sozialverträglich gelingt, müssen wir schon heute mit den richtigen Maßnahmen zu mehr Klimaeffizienz beitragen:

  1. CO2-Einsparung als Leitgröße in der Klimaschutz­politik und im Ordnungsrecht für Gebäude: Jede energetische Sanierungsmaßnahme sollte daran gemessen werden, wieviel CO2 sich in einem gegebenen Budget durch sie einsparen lässt. Hier sollte die Politik Aufklärungsarbeit leisten, schließlich tragen die Eigentümer die notwendigen Investitionen zum großen Teil selbst.

  2. Die bestehende Gasinfrastruktur stärker nutzen: Das Gasnetz bietet die Möglichkeit einer schnellen Einbindung erneuerbarer Energien in das Versorgungssystem. Mehr noch: Es kann die volatilen erneuerbaren Energien speicherbar machen und somit das Problem von Lastspitzen und -senken lösen.

  3. Klimaschutzprämie einführen und Förderprogramme weiterentwickeln: Eine "Abwrackprämie" für veraltete Heiztechnik würde dabei helfen, die stark veralteten Wärmeerzeuger aus dem Heizungskeller zu vertreiben. Die bestehenden Förderprogramme müssen weiterentwickelt und technologieoffener ausgerichtet werden. Auch die Einführung einer steuerlichen Abschreibung für Heizungsmodernisierungen wäre eine zielführende Maßnahme.

  4. Elektrifizierung gibt es nicht zum Nulltarif: Die Elektrifizierung der Energiesektoren ist verbunden mit einem massiven Ausbau der Anlagen und Infrastruktur. Diese Investitionen schlagen sich in den Strombezugskosten nieder. Die Frage nach den Kosten darf nicht unbeantwortet bleiben.

Die Studie "Wärmemarkt 2050" von Zukunft Erdgas ist online verfügbar.

Von Timm Kehler
Vorstand Zukunft Erdgas e.V.
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